NORDØYVEGEN | Rasenroboter

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Sjo Land Lapsoy c Herbert Eugen Wiegand
© H. E. Wiegand

NORDØYVEGEN

 

An der Westküste Norwegens: Ein Blick auf die Karte kann hier nirgends Linien ermitteln, die einem Ingenieur für Straßenbauwesen günstig erschienen. Ein Gewirr von Inseln, Schären, Fjord und Fjell. Eilande, die aus einem einzigen gewaltigen Berg bestehen, oder flache Felsen, die wie die Rücken von urzeitlichen Walen aus dem Wasser ragen. Hier ist das Wort „unwegsam“ mit jeder Idee von Straße verbunden, zeugt alles harte Gestein von einstiger Wucht der Kräfte aus dem Inneren der Erde, hat Furchen, Gräben, Klüfte, Risse, Spalten, Abgründe hinterlassen. Und ein Weg von hier nach dort – vielleicht schon das Ziel dort drüben vor Augen – bedeutet oft einen Umweg von vielen Kilometern, weil das natürliche Hindernis, ob Wasser oder Berg, ohne Hilfsmittel keine geraden Wege gestattet. Dass mit der deutschen Besatzung damals ausgerechnet die Autobahnbauer ins Land kamen, die das nationalsozialistische Reich schon mit schnurgeraden Verkehrswegen zu überziehen begannen – da traf Unwegsamkeit auf Beherrschungswut, auch über die Widerstände der Natur. Die älteren Norweger erwähnen es zuweilen noch: Das mit den Straßen, ja, das hätten sie gekonnt. Das mit dem Zerstören danach aber auch. Immer noch spukt sie im Land, die Geschichte mit den Deutschen, und ihre Spuren nicht nur in Gestalt von hinterlassenen Gefechtsstellungen und Wegen, auch in den Familiengeschichten. Die Norweger brauchten keine deutschen Ingenieure, sie hatten seit Jahrtausenden in unwirtlichsten Gegenden Brücken, Landwege, Steige angelegt, um von einem abgelegenen Ort zum anderen zu gelangen. Und bei all dem Zwang zu Umwegen gibt es immer wieder eine verlockende Linie: Nämlich geradewegs übers Wasser, wie über einen Fjord oder vom Festland zu den vielen vorgelagerten Inseln der Westküste.

 

Wer bis vor einem Jahr aus Berlin nach Ålesund kam und zu den nördlich gelegenen Inseln wollte, staunte über die so bequeme küstennahe Infrastruktur, die Festland und Inseln im öffentlichen Nahverkehr verband: Sich auf einem Katamaran einschiffen und geradewegs übersetzen können, übers Wasser gleiten, statt Berliner U-Bahn-Tunnel zu durchqueren, das war ein Genuss. Das Boot als „Bus“, von dem aus kein Asphalt und keine sich stauenden Autos zu sehen waren, sondern der Wellengang des Nordatlantik und aus dem Wasser ragende Tafelberge, Spitzberge, Rundberge, unterseeische Formationen erahnen lassend, Hügel aus dem Meer, Inseln jeglicher Gestalt bildend, manch ein flaches Eiland mit einem einzigen Haus darauf, in immer neuem Licht – vom Ausland kommend, erschien solch eine Weise des öffentlichen Transports als ein Luxus.

 

Umso größer das Erstaunen – selbst wenn mir das Gären dieses Begehrens über die Jahre immer wieder zu Ohren gekommen war – dass sich fünf Inseln im Norden von Ålesund für eine neu zu gestaltende Zukunft zusammengeschlossen hatten: Sie waren bereit, sowohl das Schnellboot wie auch die Autofähre abzuschaffen, um die damit verbundenen Kosten einzusparen und sie einer neu zu errichtenden Festlandsverbindung zuzuschlagen, die es in Zukunft ermöglichen sollte, „fahren zu können, wann du willst“. Ein Projekt, das das Auto – den längst eingespielten Gewohnheiten entsprechend – endgültig ins Zentrum der Verkehrsplanung rücken sollte. Ein alter, schon in den 70er Jahren aufgekommener und jahrzehntelang gehegter Traum sollte schließlich Wirklichkeit werden. Und die gegenwärtige ökonomische Stärke des Landes ließ die Zuversicht wachsen, dass nun die Zeit gekommen sei, es umzusetzen. Als im vergangenen Jahrhundert das erste Auto über die Inseln rollte, war das eine Zeitenwende gewesen, die im Untergrund stets auf ihre einstige Vervollkommnung im nächsten ausgerichtet geblieben war, und die bedeutete: Eines Tages auf einer Insel leben und auf kein Boot, keine Fähre mehr angewiesen sein! Jetzt war diese Phantasie neu aufgeflammt und wirkte wie ein Brandbeschleuniger zündender Zukunftsvisionen von damals. Alle sprachen nun davon. Dass inzwischen die ökologische Frage neu bedacht, andernorts die Zukunft mit einem Umdenken verbunden wird, dass Wege gesucht werden, wie Individualverkehr durch mehr öffentliche Angebote verringert werden könnte, schien im Inseldiskurs keine Rolle zu spielen. Die Angelegenheit nahm Fahrt auf, eine Dynamik entstand, die alle Einwände als „destruktiv“ erscheinen ließen. Und als Teilzeitbewohnerin der Insel und Ausländerin – obendrein noch eine Deutsche – wirkte es umso anmaßender, sich einzumischen in die aus alten Wünschen sich speisenden Zukunftspläne der Menschen auf diesen Inseln.

 

In dieser enthusiastisch aufgeladenen Stimmung nahm das Projekt immer mehr Kontur an. Was zunächst gewirkt hatte wie eine Baumaßnahme von unrealistischem Ausmaß, lag jetzt im Internet auf konkreten Plänen vor, die neu überarbeitet worden waren: eine Festlandsverbindung für fünf Inseln mit insgesamt 2700 Einwohnern, bestehend aus drei unterseeischen Tunneln mit insgesamt ca. 13 km Länge, einer (bereits bestehenden) Mole, einer 3 km langen neu anzulegenden Straße über eine der Inseln, und einer neu zu erbauenden 800 m langen Brücke zum Festland hinüber, die so hoch würde sein müssen, dass das Postschiff Hurtigruten darunter hindurchfahren kann. Mit der Eröffnung dieser Verbindung würde der bisher bestehende öffentliche Nahverkehr – Autofähre und Schnellboot – eingestellt und durch eine Buslinie ersetzt. Für Fußgänger und Fahrräder wären die Tunnel gesperrt.

 

Damit ergab sich ein neuer Weg für alle Autofahrer: Wer zukünftig von der nördlichsten Insel nach Ålesund fahren würde, müsste alle Inseln überqueren und, am Festland angekommen, noch einen weiten Weg um den Fjord herum auf sich nehmen. Insgesamt 100 km Fahrt erwarten den Pendler der neuen Zeit von hier nach dort. Aber weder die beträchtliche Entfernung, noch die Erwartung, dunkle Tunnel unter dem Meer durchqueren und Insel nach Insel über schmale, kurvige Straßen überqueren zu müssen – die nun obendrein für die Anwohner Durchgangsverkehr bringen würden – schreckten die Einwohner ab. Der alte Wunsch lebte. Ein Refrain durchzog alle Diskussionen, der das Ziel jedes Mal neu auf den Punkt brachte: Å kunne kjøre, når du vil!Fahren können, wann du willst!

 

Zahlreiche Kräfte arbeiteten nun an der Verwirklichung, tatkräftige Frauen und Männer der Insel aus dem kommunalen Parlament wie von Seiten der Gewerbetreibenden. Zu einem der wichtigsten Verfechter und privaten Geldgeber wurde der alteingesessene Firmenchef einer Windenfabrik. Hiesige Industrien waren zum Teil aus dem einstigen Walfang und der Heringsfischerei hervorgegangen. Hier ließ sich wieder anknüpfen an ein altes Selbstbild. Die Menschen dieser Gegend gelten als betriebsam und erfindungsreich, geübt, Hindernisse zu überwinden, neue Wege zu eröffnen. Der erste Bootsmotor Norwegens wurde auf einer bereits durch Mole angebundenen Nachbarinsel, auf Finnøy, gebaut. Es muss auch diese durch Generationen gewachsene, zum Selbstverständnis gehörende Tatkraft gewesen sein, einen Stolz begründend, die ihre Hand entscheidend mit im Spiel hatte. Das daraus erwachsene Bild von der Zukunft war eng verbunden mit der Vorstellung vom eigenen Auto und selbstbestimmter Mobilität. Dabei schien nichts diese seit Jahrzehnten bestehende Vision erschüttert zu haben.

 

Ein solches Projekt muss auch vom Storting, dem Parlament in Oslo bewilligt werden. Neben den finanziellen Fragen spielte eine norwegische Vorstellung von Gleichberechtigung und Gleichbehandlung aller Regionen des Landes hinein, die lautet: Was ihr in der Hauptstadt für euch in Anspruch nehmt, das gilt auch für uns in den Randgebieten! Sich auf diesen solidarischen Gedanken zu berufen, erschwert bis verunmöglicht ablehnende Bescheide „von oben“. Und auf Gemeindeebene blieb bis zur Abstimmung im kommunalen Parlament ein diskursiver Druck, sich nicht negativ gegenüber denjenigen zu äußern, die als Befürworter des Projekts die damit verbundenen blendenden Zukunftsaussichten im Blick hatten. Hier sei es nicht üblich, erklärte mir eine andere, schon lange hier lebende Ausländerin auf der Insel, sich anderen gegenüber durch kritische Einwände konfrontativ zu verhalten. Und schließlich war einer der maßgeblichen Befürworter, der auch mit privatem Geld in das Projekt einstieg, der inzwischen über 80jährige Firmenchef der nördlichsten Insel, der größte hiesige Arbeitgeber. Es war auch sein persönlicher, ein Leben lang gehegter Traum, der nun Wirklichkeit werden sollte. Ungeachtet dessen, dass es mit der Festlandsverbindung im Hinblick auf Transport für die Firma kaum Verbesserungen geben würde – denn die Größe der dort produzierten Winden erlaubt nur eine Verschiffung.

 

Die Abstimmung im kommunalen Parlament war dann dennoch knapp – aber das Resultat war ein Ja: mit 26 zu 21 Stimmen. Damit galt die größte, je in dieser Region in Gang gesetzte Investition als beschlossen. Die geplanten Kosten beliefen sich zunächst auf 5,6 Milliarden Norwegische Kronen. Am Ende wurden es 6,27 Milliarden NOK. Der Bau verlief ungewöhnlich zügig, die Bauleiterin erfuhr großes Lob. Die Einschätzung des Ökonomen Ola Grytten, die er zuvor öffentlich gemacht hatte, blieb ungehört. Demnach hätten alle seine Berechnungen gezeigt, dass der Nordøyveg weder im Hinblick auf Transport noch im Hinblick auf die Gesellschaft ökonomisch lohnenswert sei. Lohnenswerter wäre es, Gratisfähren fahren zu lassen. Gegen die Fähren und Schnellboote brachten jedoch viele ihre hohen Abgaswerte ins Spiel. Sie durch umweltfreundliche zu ersetzen, wäre allerdings technisch längst möglich und ist an anderen Orten in Norwegen schon umgesetzt.

 

An einem regnerischen Augustmorgen im Jahr 2022 waren auf allen Inseln, an Häusern und Straßen die norwegischen Flaggen gehisst. Die Frauen griffen, wie üblich an Festtagen, zu ihren Trachten – dem „Bunad“ – und so strömten die Bewohner aller fünf Inseln zusammen in festlicher oder einfach wetterfester Kleidung, mit Regenmänteln und Schirmen ausgestattet, zur feierlichen Eröffnung auf der nördlichsten Insel Harøy. Das Werk war vollbracht. Vor dem Tunnelausgang war eine Bühne aufgebaut. Jetzt konnte der Refrain die neue Wirklichkeit besingen: Å kunne kjøre, når du vil! Die wichtigsten Repräsentanten des Projektes schritten zur feierlichen Durchschneidung des Bandes, das über die Straße gespannt war. Wie immer an solchen Tagen wurde auch die Nationalhymne gesungen. „Ja, vi elsker dette landet“ – ‚Ja, wir lieben dieses Land‘. Der Triumph der Stunde war die Erfüllung der Sehnsucht nach individueller Freiheit in Sachen Mobilität, verknüpft mit der Hoffnung, damit der Abwanderung von den Inseln entgegenzuwirken. Nach aktuellem Wechselkurs wurden dafür ca. 200.000 Euro pro Einwohner ausgegeben. Bei der abschließenden, großzügig vom Firmenchef auf seinem Betriebsgelände veranstalteten Show mit Musik und Essen für alle, sah man am Kai das Schnellboot seine letzte Runde drehen und somit als öffentliches Verkehrsmittel sich verabschieden. Nicht ohne Wehmut sah ich es davonfahren.

Noch im Nachhinein aufkommende Einwände werden rasch abgewehrt: Schließlich fährt ein Großteil der Inselbewohner batteriebetriebene Elektroautos, auch deshalb, weil sich dadurch die Maut für die Überquerung der neuen Festlandsbrücke verringert. Statistisch gesehen dürfte der Anteil der Tesla, der in der Gegend unterwegs ist, in europäischem Durchschnitt wohl rekordverdächtig sein. Ob die Ökobilanz dieser eher luxuriösen Fahrzeuge positiv ist, bezweifeln einige Studien. Doch können sich die Norweger auch darauf berufen, mehr als andere Strom aus erneuerbaren Quellen zu beziehen.

 

Nach der Eröffnung das Tunnels trat ein neuer Beschluss des Storting in Oslo in Kraft: die Fähren an der Küste können nun gratis genutzt werden. Diese Meldung war dann doch ein kleiner Schock. In diesen Genuss kommen die Bewohner der Nordinseln nun nicht mehr – und streiten mit den Verwaltungsbehörden um die hohen Kosten bei der Brückenüberquerung.

 

Wer nun ohne Auto zu den Inseln übersetzen will, muss, nach einer kurzen Bootsüberfahrt von Ålesund zu einer gegenüberliegenden Landzunge, dort den Bus besteigen. Beim Überqueren der Festlandsbrücke fällt der Blick etwas sehnsüchtig hinunter aufs Wasser – in Erinnerung an die Fahrten mit dem Schnellboot, dessen Sonnendeck, an den Wind im Gesicht, die flatternden Haare, dieses Bad in der Meeresluft und der Weite der Küstenlandschaft. Doch schon ist der Bus drüben angekommen, biegt in die schmale Straße ein, kurvt durch die kleine Ansiedlung. Kaum jemand steigt ein oder aus. Eine Handvoll Passagiere. Bald kommt der erste Tunnel. Es geht ins Dunkel unter dem Fjord, jedoch durchgängig künstlich beleuchtet. Wie viele Tonnen Sand, Beton, Baumaterialien mögen hier verwendet worden sein? Ich zähle die Autos, die uns in dieser grauen Röhre entgegenkommen. Es wird am Ende eines jeden Tunnels 1 gewesen sein. Sich umdrehend ist auch hinter dem Bus weit und breit kein Auto zu sehen. Die Infrastruktur wirkt so überdimensioniert, als müsste man am Ende im Zentrum einer großen Stadt auftauchen. Aber nein: wieder angekommen im Licht, fällt der Blick auf Heidekraut, hier und da ein Haus.

 

Im ersten Jahr nach Eröffnung des Tunnels hat die Zahl der Wohnmobile, die über die Insel fahren, zugenommen. Die Bewohner freut das, als wäre es eine Bestätigung ihres Projektes, und etwas wie Stolz schwingt mit. Auch in finanzieller Hinsicht ist es jetzt wünschenswert, dass der Verkehr zunimmt: Je mehr Fahrzeuge über die Festlandsbrücke fahren, also Maut bezahlen, umso größer die Einnahmen, umso schneller können die Schulden bedient werden. Schließlich wurden deshalb viele andere kommunale Projekte für mehr als 10 Jahre auf Eis gelegt. Und der Verkehr zwischen den Inseln bringt nichts ein, er ist von Mautgebühren befreit. Der damit verbundene positive Effekt, der es den Inseln ermöglichen könnte, mehr zusammenwachsen, mag niemand abstreiten. Aber was bedeutet das in Zukunft? Der Supermarkt von Harøy profitiert von den Kunden der kleineren Nachbarinsel. Am dortigen Müllplatz stehen die von den Nachbarinseln jetzt Schlange, weil sie vorher ihre Abfälle ans Festland bringen mussten. Die Veränderungen des sozialen Gefüges sind noch nicht abzusehen. An mehreren Stellen sind Schilder aufgestellt, auf denen Grundstücke zum Bau von Ferienhütten angeboten werden. Studien sagen, derartige Anbindungen ans Festland würden nur in der Nähe von großen Städten zu Aufwertungen und einer positiven Zukunftsentwicklung führen. Andernorts sei es sogar eher zu Abwanderungen gekommen. Wer in Ålesund arbeitet, kann die Fahrt zur Arbeit nicht länger – wie früher mit Boot oder Fähre – als Entspannungszeit einrechnen. Jetzt gilt es, selbst am Steuer zu sitzen und sich aufs Fahren zu konzentrieren, bis das Ziel erreicht ist. Auch den LKW-Fahrern geht diese Pause verloren, die ihnen durch die Fährüberfahrt geschenkt worden war. Sie haben sich deshalb auch in anderen Gegenden Norwegens gegen eine Abschaffung der Fähren gewandt. Hinzu komme aus Sicht der Lastwagenfahrer, dass sich der Spritverbrauch erhöhe, zumal die unterseeischen Tunnel eine erhebliche Steigung aufwiesen. Auch der Bus ächzt, wenn es unter dem Fjord wieder hinaufgeht.

 

Wie sieht der Verkehr der Zukunft aus? Den Berliner Streit zwischen Autofahrern und Radfahrern im Sinn, sitze ich still im Bus, der in den nächsten Tunnel einfährt, Betonwände statt Meeresblick, – den Pro-Kopf-Verbrauch an Ressourcen wie Sand hat niemand berechnet – und denke an das Wort, das damals zu Zeiten der deutschen Besatzung in die norwegische Sprache einging – wohl auch, um sich gegen diejenigen zu wehren, die das Wort mitgebracht hatten: „besserwisser“.

 


Land Tunel c Herbert Eugen Wiegand
© H. E. Wiegand

NORDØYVEGEN

 

On the west coast of Norway: a glance at the map will not reveal any lines that would seem favourable to a road engineer. A maze of islands, skerries, fjords and fells. Islets that consist of a single enormous mountain, or flat rocks that rise out of the water like the backs of primeval whales. Here, the word “impassable” is associated with any idea of a road, all hard rock bears witness to the former force of the earth’s interior, leaving furrows, trenches, crevices, fissures and chasms. And a path from here to there – perhaps with the destination over there already in mind – often means a diversion of many kilometres, because the natural obstacle, whether water or mountain, does not allow a straight path without aids. The fact that the German occupation brought motorway builders into the country, of all people, who had already begun to cover the National Socialist Reich with dead-straight traffic routes – impassability met a rage for domination, even over the resistance of nature. Older Norwegians still mention it from time to time: the roads, yes, they would have done that well. But the destruction afterwards too. It still haunts the country, the history with the Germans, and its traces not only in the form of battle positions and roads left behind, also in family stories. The Norwegians didn’t need German engineers; for thousands of years they had built bridges, country lanes and tracks in the most inhospitable areas to get from one remote place to another. And for all the need to take detours, there is always a tempting route: namely straight across the water, such as across a fjord or from the mainland to the many offshore islands on the west coast.

 

Until a year ago, anyone coming to Ålesund from Berlin and wanting to get to the islands to the north was amazed at the convenient coastal infrastructure that connected the mainland and the islands by public transport: being able to embark on a catamaran and cross straight over, gliding across the water instead of travelling through Berlin metro tunnels, was a pleasure. The boat as a “bus”, from which you could see no asphalt and no cars piling up, but the swell of the North Atlantic and you could guess table, peaked, round mountains, submarine formations, hills rising out of the sea, building islands of all shapes, many a flat islets with a single house on it, always in a new light – coming from abroad, such form of public transport seemed like a luxury.

So it was all the more astonishing – even though I had heard the brewing of this desire time and again over the years – that five islands in the north of Ålesund had joined forces for a new future: they were prepared to abolish both the speedboat and the car ferry in order to save the associated costs and to add them to a new mainland link to be built, which would make it possible in future to “drive whenever you want”. A project that – in line with long-established habits – would finally put the car at the centre of transport planning. An old dream that had emerged in the 1970s and had been cherished for decades was finally to become reality. And the country’s current economic strength gave rise to growing confidence that the time had come to realise it. When the first car rolled across the islands in the last century, it was a turning point in time that had always been focussed under the surface on its former perfection in the next one, and which meant: one day living on an island and no longer having to rely on a boat or ferry! Now this fantasy had flared up again and acted like a fire accelerant to ignite visions of the future from back then. Everyone was now talking about it. The fact that the ecological question was now being reconsidered, that elsewhere the future was being linked to a rethinking, that ways were being sought to reduce individual transport by offering more public transport, did not seem to play a role in the island discourse. The matter gathered momentum, a dynamic developed that made all objections seem “destructive”. And as a part-time resident of the island and a foreigner – a German to boot – it seemed all the more presumptuous to interfere in the future plans of the people on these islands, which were fueled by old desires.

 

Within this enthusiastically charged atmosphere the project began to take shape. What had initially seemed like a construction project of unrealistic proportions was now available on the internet in the form of concrete plans that had been revised: a mainland link for five islands with a total of 2,700 inhabitants, consisting of three undersea tunnels totaling around 13 km in length, an (already existing) pier, a 3 km long new road to be built across one of the islands, and a new 800 m long bridge to be built across to the mainland, which would have to be high enough for the Hurtigruten mail boat to pass underneath. With the opening of this connection, the existing public transport – car ferry and speedboat – would be discontinued and replaced by a bus line. The tunnels would be closed to pedestrians and bicycles.

This resulted in a new route for all motorists: anyone travelling from the northernmost island to Ålesund in future would have to cross all the islands and, once on the mainland, take a long way around the fjord. A total journey of 100 kilometres awaits the commuter of the new era from here to there. But neither the considerable distance nor the expectation of having to cross dark tunnels under the sea and traverse island after island on narrow, winding roads – which would now also bring through traffic for local residents – deterred the inhabitants. The old wish lived on. A refrain ran through all the discussions, summarising the goal anew each time: Å kunne kjøre, når du vil! – Be able to drive whenever you want!

 

Numerous forces were now working on its realisation, energetic men and women from the island from the local parliament as well as from the business community. The long-established head of a winch factory became one of the most important supporters and private donors. Some of the local industries had emerged from the former whaling and herring fishing industries. Here it was possible to reconnect with an old self-image. The people of this region are regarded as industrious and inventive, skilled at overcoming obstacles and opening up new paths. Norway’s first boat engine was built on a neighbouring island, Finnøy, which was already connected by a pier. It must also have been this drive that had grown over generations and was part of the self-image, creating a sense of pride that played a decisive role. The resulting image of the future was closely linked to the idea of having one’s own car and self-determined mobility. Yet nothing seemed to have shaken this vision that had existed for decades.

Such a project must also be approved by the Storting, the parliament in Oslo. In addition to the financial issues, a Norwegian idea of equal rights and equal treatment for all regions of the country also played a role: What you claim for yourselves in the capital also applies to us in the peripheral areas! Appealing to this idea of solidarity makes rejection decisions “from above” difficult or even impossible. And at municipal level, until the vote in the local parliament, there remained a discursive pressure not to speak out negatively against those who, as supporters of the project, had the dazzling future prospects associated with it in mind. Another foreigner on the island who has lived there for a long time explained to me that it is not usual here to be confrontational towards others by raising critical objections. And finally, one of the key supporters, who also invested private money in the project, was the now 80-year-old company boss of the northernmost island, the largest local employer. It was also his personal, lifelong dream that was now to become a reality. Regardless of the fact that the mainland connection would hardly improve transport for the company – because the size of the winches produced there only allows them to be shipped.

The vote in the local parliament was nevertheless close – but the result was in favour: by 26 votes to 21. This meant that the largest investment ever initiated in this region had been approved. The planned costs initially totalled 5.6 billion Norwegian kroner. In the end it was NOK 6.27 billion. Construction proceeded unusually quickly and the construction manager was highly praised. Economist Ola Grytten’s assessment, which he had previously made public, went unheard. According to him, all his calculations had shown that Nordøyveg was not economically worthwhile in terms of either transport or society. It would be more worthwhile to operate free ferries. However, many argued against the ferries and speedboats because of their high emissions. However, replacing them with environmentally friendly ones would have been technically possible long ago and has already been implemented in other places in Norway.

 

On a rainy August morning in 2022, Norwegian flags were hoisted on all the islands, houses and streets. As is customary on festive days, the women took to their traditional costumes – the “bunad” – and so the inhabitants of all five islands flocked together in festive or simply weatherproof clothing, equipped with mackintoshes and umbrellas, to the ceremonial opening on the northernmost island of Harøy. The work was done. A stage was set up in front of the tunnel exit. Now the chorus could sing about the new reality: Å kunne kjøre, når du vil! The most important representatives of the project took to the stage for the ceremonial cutting of the ribbon that had been stretched across the road. As always on such days, the national anthem was also sung. “Ja, vi elsker dette landet” – ‘Yes, we love this country’. The triumph of the hour was the fulfilment of the longing for individual freedom in terms of mobility, combined with the hope that this would counteract the depopulation of the islands. According to the current exchange rate, around 200,000 Euros per inhabitant were spent on this. At the final show, generously organised by the company boss on his premises, with music and food for everyone, we saw the speedboat making its last round on the quay and thus saying goodbye as a form of public transport. It was not without melancholy that I watched it sail away.

Any objections that arise afterwards are quickly dismissed: after all, the majority of the island’s inhabitants drive battery-powered electric cars, partly because this reduces the toll for crossing the new mainland bridge. Statistically speaking, the proportion of Tesla cars on the road in the area is probably record-breaking by European standards. Some studies question whether the ecological balance of these rather luxurious vehicles is positive. However, the Norwegians can also claim to obtain more electricity from renewable sources than others.

 

Following the opening of the tunnel, a new decision by the Storting in Oslo came into force: the ferries on the coast can now be used free of charge. This news came as a bit of a shock. The inhabitants of the northern islands will no longer be able to enjoy this – and are arguing with the administrative authorities about the high costs of crossing the bridge.

If you want to cross to the islands without a car, you have to take a short boat trip from Ålesund to a headland on the opposite side and then get on a bus. As we cross the mainland bridge, our eyes fall longingly down to the water – remembering the journeys on the speedboat, its sun deck, the wind in our faces, the fluttering hair, this soak in the sea air and the vastness of the coastal landscape. But the bus has already arrived over there, turns into the narrow road and winds its way through the small settlement. Hardly anyone gets on or off. Just a handful of passengers. Soon we reach the first tunnel. It goes into the darkness under the fjord, but is artificially illuminated all the way through. How many tonnes of sand, concrete and building materials may have been used here? I count the cars coming towards us in this grey tube. There must have been 1 at the end of each tunnel. Turning around, there is not a car to be seen far and wide, even behind the bus. The infrastructure seems so oversized, as if you had to emerge at the end in the centre of a large city. But no: back in the light, the view falls on the heather, here and there a house.

 

In the first year after the tunnel opened, the number of Campervans travelling across the island has increased. The residents are pleased about this, as if it were an endorsement of their project, and it resonates with a sense of pride. From a financial point of view too, it is now desirable for traffic to increase: The more vehicles drive over the mainland bridge, i.e. pay tolls, the greater the revenue, the faster the debt can be repaid. After all, this is why many other municipal projects have been postponed for more than 10 years. And the traffic between the islands brings in nothing, it is exempt from tolls. Nobody would deny the positive effect that this could have, allowing the islands to grow closer together. But what does this mean for the future? The supermarket on Harøy benefits from customers from the smaller neighbouring island. People from the neighbouring islands now queue up at the rubbish dump there because they previously had to take their waste to the mainland. The changes to the social fabric are yet to be seen. Signs have been put up in several places offering plots of land for the construction of holiday cabins. Studies say that such connections to the mainland would only lead to upgrading and positive future development near large cities. Elsewhere, migration was even more likely to occur. If you work in Ålesund, you can no longer count the drive to work as relaxation time – as you used to by boat or ferry. Now you have to sit behind the steering wheel and concentrate on driving until you reach your destination. The truck drivers also lose the break that the ferry crossing gave them. They have therefore also campaigned against the discontinuation of ferries in other areas of Norway. In addition, from the truck drivers’ point of view, fuel consumption increases, especially as the undersea tunnels have a considerable incline. The bus also groans when it drives back up under the fjord.

 

 

What will the transport of the future look like? With the Berlin conflict between car drivers and cyclists in mind, I sit quietly on the bus as it enters the next tunnel, concrete walls instead of a view of the sea – no one has calculated the per capita consumption of resources such as sand – and think of the word that entered the Norwegian language during the German occupation – probably also to defend myself against those who brought the word with them: “besserwisser” (“know-it-all”).




Rasenroboter


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Der dreißigjährige Nachbar auf der norwegischen Insel hat sich einen Rasenroboter angeschafft, wie auch meine alte Mutter im 2000 km entfernten Deutschland, wie zahlreiche andere Gartenbesitzer hier wie dort. Die Mutter nennt ihren „Paulchen“ und kommentiert so gerne seine sie erleichternden Arbeitsrunden wie die eines freundlichen Hausgenossen. Der Roboter des Nachbarn hier auf der Insel im Nordatlantik hat noch keinen Namen. Nennen wir ihn „Lillepaul“. Sein unermüdliches Hin- und Herfahren verleitet dazu, ihm den Namen eines treuen Dieners zuzugestehen. Die Anschaffung des Nachbarn wirkt wie der Höhepunkt eines „kurzen Prozesses“, dem er den Garten nach der Übernahme des Elternhauses unterzogen hat: Beseitigung sämtlicher Büsche, Hecken, Blumen, Nutzpflanzen, aller Johannisbeer- und Himbeersträucher – bis auf EINEN Baum, eine hiesige Weidenart, die sich in den letzten Jahrzehnten trotz der Stürme und des rauhen Wetters in Strandnähe üppig und kräftig entwickelt hatte. Nun wurde „Lillepaul“ angeliefert, seine Ladestation installiert, er im Garten ausgesetzt: Ein käferartiges rollendes Rasenmäherding in doppelter Staubsaugergröße. Für kurze Verschnaufpausen zum Laden läuft er von selbst zu seiner unscheinbaren Station, die aus einer kleinen Plastikfläche und einem Sender, an einem Stab befestigt, besteht. Ansonsten bewegt „Lillepaul“ sich energiegeladen und mit gespenstischer Lautlosigkeit über die grüne Fläche und mäht den Rasen so kurz, dass er mehr einem das Wohnhaus umgebenden Teppich als einem Ort für Ackerhummel, Hirschkäfer, Weißling und Wildbienen gleicht, ein Teppich von Roboterhand, der dem dauernden Wachstum trotzt und ein Erscheinungsbild hervorbringt und beharrlich bewahrt, das weitestmöglich entfernt ist von dem einer natürlichen Wiese. Nun musste der Nachbar aber feststellen, dass „Lillepaul“ unter der Krone jenes letzten und einzigen verbliebenen Baumes nicht arbeiten wollte. Das Gras darunter blieb ungehörig hoch. Als Grund dafür erwies sich die neue Technik, denn anders als das deutsche „Paulchen“, das über zuvor im Rasen verlegte Kabel gesteuert wird, ist „Lillepaul“ auf dem großen norwegischen Grundstück satellitengesteuert unterwegs. Das ersparte die Verlegung der Kabel im Gras und bindet ihn an den Kontakt mit dem Weltraum und nicht an die Nähe zum Boden. Doch unter der dichten Krone des Baumes verlor er eben jene Anbindung nach oben und versagte dort folglich sogleich seine Dienste. So wog der Nachbar kurzerhand ab, wem er hier wohl eher gerecht werden müsste: Der alten Weide oder dem neuen Roboter? Und da auch anderweitig sein Denken eher aufs Gerät als auf die Natur gerichtet ist, die Wetter-App und nicht der Blick auf den Himmel den Tag bestimmt, so musste er nicht lange überlegen, um die Kettensäge in die Hand zu nehmen und den Baum mit klaren Schnitten von seinem üppigen Blattwerk zu befreien. Einen an allen Gliedern amputierten Stamm hat er stehen lassen, und „Lillepaul“ läuft seither zur Freude seines Besitzers ungehindert um diesen herum. Tag und Nacht arbeitet er am Roboterrollrasen, wie seinesgleichen in vielen Gärten überall auf der Insel. Und plötzlich fällt mir hier und da der radikal amputierende Verschnitt größerer Bäume in den Vorgärten ins Auge. Ob sie alle wohl verkümmern mussten, um das Funktionieren eines ebensolchen von hochoben dirigierten Rasenroboterkäfers zu gewährleisten, der akkurat und unermüdlich am Wegrasieren der Natur arbeitet? Und aus all den verkrüppelten Stämmen der sprießende Versuch erneut auszuschlagen.

 

 

(Kommune Ålesund, Norwegen – Heike Schmitz)


Rasenroboter c Heike Schmitz
© Heike Schmitz


Robotic Lawnmower

 

The thirty-year-old neighbour on the Norwegian island has bought a robotic lawnmower, like my elderly mother in Germany, 2000 km away, like numerous other garden owners here and there. Mum calls hers “Paulchen” and is as happy to comment on its rounds of work that make her life easier as those of a friendly housemate. The neighbour’s robot here on the island in the North Atlantic does not yet have a name. Let’s call it “Lillepaul”. Its tireless travelling back and forth tempts us to give it the name of a loyal servant. The neighbour’s purchase seems like the culmination of “making short work” with the garden after taking over his parents’ house: Removing all the bushes, hedges, flowers, useful plants, all the currant and raspberry bushes – except for ONE tree, a local willow species that had grown lush and vigorous in recent decades despite the storms and harsh weather near the beach. Now “Lillepaul” has been delivered, its charging station installed and it has been set out in the garden: a beetle-like rolling lawnmower thing twice the size of a vacuum cleaner. For taking a short breather to recharge, it moves by itself to the discreet station, which consists of a small plastic surface and a transmitter attached to a stick. Otherwise, “Lillepaul” moves energetically and with ghostly silence over the green surface and mows the lawn so short that it looks more like a carpet surrounding the house than a place for bumblebees, stag beetles, white butterflies and wild bees, a carpet of robotic hands that resists constant growth and produces and persistently preserves an appearance that is as far away as possible from that of a natural meadow. But now the neighbour found that “Lillepaul” did not want to work under the crown of that last and only remaining tree. The grass underneath remained unacceptably high. The reason for this turned out to be the new technology, because unlike the German “Paulchen”, which is controlled by cables previously laid in the lawn, “Lillepaul” is satellite-controlled on the large Norwegian property. This saved laying the cables in the ground and kept it in contact with space rather than close to the ground. However, under the dense crown of the tree, it lost this upward connection and consequently failed to work there. So the neighbour quickly weighed up who he should do more justice to: the old willow or the new robot? And since his other thoughts are focussed more on devices than on nature, with the weather app and not the view of the sky determining his day, he didn’t have to think twice before picking up the chainsaw and clearing the tree of its lush foliage with clean cuts. He left a trunk with all its limbs amputated, and “Lillepaul” has been moving around it unhindered ever since, much to the delight of its owner. Day and night, it works on the robotic roll lawn, as it does in many gardens all over the island. And suddenly, here and there, I notice the radical pruning of larger trees in the front gardens. I wonder if they all had to be stunted to ensure the functioning of a robotic lawn beetle directed from above, which works precisely and tirelessly to shave away nature. And out of all the crippled stems the attempt to sprout again.

 

(Municipality Ålesund, Norway – Heike Schmitz)